Donnerstag, 24. Dezember 2015

oi's is training

"Alles ist Training"

Mit 18 hab ich eine Ausbildung zum Werkzeugmacher absolviert. Dort hab ich meinen besten Freund Holger kennengelernt. Wir waren eine nette Truppe von 9 jungen Männern. Einer davon hieß "Thomas" und war ein Radsportbegeisteter. Wann immer wir ihn gefragt haben, was er nach Feierabend vor hat, hieß es "Training". Schnell hatte er seine Rolle inne und wurde sie auch nicht mehr los.

Wenn ich heute so meine Runden laufe, dann mag das monoton ausschauen und erinnert etwas an "Thomas": Laufen, laufen, laufen. Doch dahinter steckt mehr. Seit ich mich zum JUNUT 2016 gemeldet habe (240km) beschäftige ich mich viel mit "Vorbereitung", wie ich das Training nennen möchte.
Ein Läufer läuft natürlich, sonst wäre er ja kein Läufer. Also ist sicher das Laufen eine der Haupt-Trainingsformen. Aber was mir schon lange in den Sinn kam, kann ich in letzter Zeit vermehrt lesen: die ultralangen Strecken (alles über 50km) sind nur zu einem Teil die Sache der Beine. Vielleicht die Hälfte, wenn überhaupt. Das klingt zunächst abwegig, doch steckt da viel Wahrheit drinnen. Als ich nach Bad Staffelstein lief (100km free solo) konnte ich am Schluss noch immer laufen, auch wenn ich sonst völlig abgebrannt gewesen bin.
Auf 240km kann ich mich nicht vorbereiten, in dem ich viel und oft laufen gehe. Es scheint mir viel mehr etwas "Ganzheitliches" zu sein:

Im nächsten August werde ich 50 Jahre alt. Hmmm. Fühlt sich nicht so an und ist mir im Grunde auch egal. Aber sicher stehe ich in meiner jetzigen Lebensphase immer wieder an dem Punkt mich zu fragen: "wohin führt mein Weg ?" - oder wie Dire Straits singt: "where do you think you're going ?". Nicht nur einmal laufe ich durch den Wald und singe vor mich hin: "go your own way !" (Fleetwood Mac).

Seit einiger Zeit mache ich abends meine Rücken- und Rumpfgymnastik. Zum einen tat mir auch ohne Laufen in der Nacht der Rücken weh, zum anderen habe ich kürzlich gelesen, dass die Geschwindigkeit beim Laufen nicht aus den Beinen kommt, sondern aus dem Hintern, dem Rücken und dem Rumpf. Es macht also total Sinn für mich, nicht nur die Beine zu bewegen...

Ich lese Bücher zum Thema "Laufen" und "Ultramarathons" wo immer ich sie finden kann. Das motiviert mich ungemein und ich versuche mir den ein oder anderen Trick abzuschauen. Zum Beispiel die Laufschuhe mit Melkfett innen einzuschmieren, um Blasen vorzubeugen (hab ich aber noch nicht gemacht bis dato).

Kürzlich las ich, dass man mit der Nasenatmung trainieren kann, die Luft mehr aus dem Bauch zu holen statt nur über die Lungen zu atmen und damit den Puls zu senken. Gerade auf langen und längsten Strecken soll das Vorteile bringen. Also versuche ich immer wieder, unterwegs ein Teilstück einzubauen (meist in der Ebene), bei dem ich nur durch die Nase atme oder zumindest durch die Nase einatme und durch den Mund ausatme. Das erinnert mich an meine Anfangszeiten des Laufens und es liegt mir eigentlich sehr gut. Schnell vergesse ich beim Laufen, dass ich eigentlich durch die Nase atme und nicht durch den Mund, wie sonst.

Von "the running buddha" weiß ich, wie wichtig es ist, seinen Geist auf das Laufen vorzubereiten. Das fängt damit an, konzentriert beim Laufen zu bleiben. Auf den Atem zu achten. "Wie fühlt sich die Luft an, wo spüre ich sie, wo geht sie hin, wie schmeckt sie hier ?" - und ich konzentriere mich darauf, wie es sich bei jedem Schritt da anfühlt, wo meine Füße landen - bei jedem Schritt. Lande ich mehr mit der Ferse, mehr in der Mitte oder auf dem Vorfuß. Spüre ich den goßen Zehe, wenn ich mich zum nächsten Schritt abstoße ? - all das sind Kleinigkeiten, aber sie machen mich achtsam, mir selbst gegenüber.

Bei einem Ultra vor Schmerzen Angst zu haben ist ziemlicher Unsinn. Denn sie werden kommen, garantiert. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Der schlechteste Weg wäre es, sie zu ignorieren. Aber ich lerne zur Zeit, sie anzunehmen. "Aha, da ist er". Ich nehme ihn an und "beobachte ihn", wo er sitzt und wo er hingeht. Ich achte ihn und bekämpfe ihn nicht. Denn er teilt mir etwas über mich mit. Er sagt mir im Grunde, worauf ich zu achten habe.

"The running buddha" sagt, man solle mit der Umgebung, durch die man läuft, "eins werden". Das klingt seltsam, zumal während ich hier am PC schreibe, aber tatsächlich funktioniert das manchmal richtig gut. Es geht darum, im Moment und in der Umgebung "aufzugehen". Im "hier und jetzt" zu sein und wirklich "präsent" zu sein. Da bin ich noch auf dem Weg der Entwicklung, aber es gelingt mir immer besser. Und es ist ein richtig gutes, geniales Gefühl. Kein "runners high", sondern ein sehr starkes, intensives Gefühl. Und da ich den Wald und die Felder liebe, genieße ich es sehr, wenn ich in der Umgebung "aufgehe". Tatsächlich aber ist es dabei völlig egal, welches Wetter herrscht. Ob es regnet oder nicht, ob die Sonne scheint. Wie auch immer. Aber viele Kleinigkeiten im Vorbeilaufen zu beachten... das hat schon was. Dabei hilft mir auch, in letzter Zeit immer wieder Fotos zu machen. So achte ich mehr auf die Umgebung.

Meine Ernährung habe ich nicht komplett umgestellt, aber doch deutlich. Ich nehme jeden Tag zwei Smoothies zu mir, ich esse viel mehr vegetarische Nahung und hab alle Formen des Alkohol verbannt. Chips und Pommes gibt es bei mir nicht mehr, auch keine Burger. Nur Süßigkeiten esse ich noch ganz gern, leider. Als Nahrung und Energiequelle unterwegs habe ich die gekochte Kartoffel mit Salz entdeckt.

Zu dieser Jahreszeit beginnt das Tageslicht spät und endet früh. Wenn ich also laufen will, dann meist mit dem Start während der Dunkelheit oder am Nachmittag in die Dunkelheit hinein.
Zuerst habe ich Strecken ausgesucht, bei denen ich nicht ganz querfeldein durch den Wald laufen muss. Das ist auch jetzt noch so. Dennoch genieße ich den Lauf in der Dunkelheit inzwischen auch sehr. Denn er macht "wach" und "ruhig" gleichzeitig. Fahrende Autos stören enorm, denn das Scheinwerferlicht der Autos ist grell in der Dunkelheit und blendet meist sehr stark. Je länger ich in der Dunkelheit mit dem begrenzten Schein meiner Stirnlampe laufen kann, desto mehr komme ich zur Ruhe, ohne geblendet zu werden. Und ich merke, es kommt wie so oft vom "machen". Je öfter ich in der Dunkelheit laufe, desto leichter fällt es mir.

Oft habe ich meine Runde, die ich laufen möchte, vor dem Start bereits im Kopf oder auch auf meinem GPS-Gerät. Ich weiß also, wo ich hin möchte und ich schätze ab, wie lange ich unterwegs sein werde. Danach richtet sich auch,  ob ich Getränk, Rucksack oder Essen dabei habe. In letzter Zeit habe ich bei langen Läufen auch immer mein "Notfallset" dabei: Stretchverband für Verstauchungen, Schmerztabletten und eine Alu-Rettungsfolie gegen Auskühlung.
Allerdings läßt sich nicht immer alles berechnen und im voraus planen. Es ist auch gerade beim Laufen wichtig, flexibel zu bleiben und Probleme da zu lösen, wo sie auftreten: hier und jetzt.  Das ist beim Laufen um so schwieriger, weil man ja permanent in einer Vorwärtsbewegung ist und so subjektiv kaum Zeit und Nerv hat, irgendetwas zu ändern. Im Vorwärts innezuhalten und eventuell sogar (ein Stück) umzukehren um weiterzukommen, das ist die Kunst.

"Last but not least" gilt es immer wieder, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und bei jede Lauf sich auf die Wurzel zu besinnen: warum laufe ich eigentlich ? - was macht diesen Reiz aus ?
Es geht nicht um die Trainingskilometer oder die Etappen. Die sind wichtig, aber das ist am Ende nur Begleitmusik. Wichtig ist das Innere bei der Sache. Draussen, in Bewegung, im hier und jetzt aufzugehen. Wenn der Rhythmus des Atem und der des Herzens mit dem der Beine und des restlichen Körpers zusammenpaßt, dann wird daraus ein Ganzes.

Genial.

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