Die Runde ist im original eine MTB-Runde nach dem MOSER-Guide, und ich bin sie schon mit Holger vor rund 20 Jahren dort gefahren. Start und Ziel ist Bayrischzell. Sofort nach dem Start geht es steil hinauf nach Sudelfeld. Im Winter eine Skiabfahrt im schmalen Tälchen, jetzt aber nur ein planierter Wanderweg, der auf den Schnee und die Skifahrer wartet. Schnee gibts keinen, nur an einigen stellen Raureif. Dort wo das Wasser aus dem Berg tritt haben sich Eisplatten auf dem Weg gebildet. Ich kenne die Steigung und gehe es langsam an, etwa 150 Puls.
Oben am Ausgang zum Sudelfeld liegt das schöne Sudelfeldhotel fast verlassen da. Nix los hier, für mich perfekt. Noch vom Parkplatz unten auf dem Weg nach oben habe ich ein Stück eines Liftes gesehen, der sich bewegt hatte. "Vielleicht eine Revision der Anlage", denke ich mir, eine Vorbereitung, falls dann doch mal der Schnee kommt.
Als ich aus dem Wald komme, stehe ich tatsächlich vor einem schmalen Band einer sogenannten Skipiste. Auf der grünen Wiese haben sie mit ihren Schneekanonen ein Band gelegt. Das schmale, braun-grüne Tal ist mit Autos vollgestopft und einige Skifahrer ziehen ihre Schwünge. Zum Glück kenne ich den Weg hinunter, muss nur kurz die sog. Piste kreuzen und Fußspuren verraten, dass ich da nicht der erste bin. Es fühlt sich extrem komisch an, was die Menschen hier am Sudelfeld tun.
Aus der Stille, in die Stille versuche ich zu fliehen, mache auch keine Fotos und hab die skurrile Szenerie schnell hinter mich gebracht. Ich verschwinde auf meiner Tour ins liebliche Auerbachtal, das haben sie wenigstens in Ruhe gelassen.
Ich mache mich weiter auf den Weg nach Tazelwurm, muss aber dauernd stehen bleiben um zu fotografieren und den Weg zu genießen. Herrlich. "Meins".
Der Auerbach selbst ist nicht eingefroren, aber immer wieder gibt es Eiszapfen an den kleinen Brücken, das Sonnenlicht bricht durch die vereisten Zweige der Bäume und verwandelt Eis zu Wassertropfen. Kurz vor dem Tazelwurm zieht der Weg hinauf und quert auf der Anhöhe bleibend hinüber Richtung Brünnstein und Brünnsteinhaus. Schöner gehts kaum...
Es ist kaum was los. Nur ein paar Menschen arbeiten hier und da an den Wegen, schneiden etwas zurück, wollen vorbei. Ab und eine Gruppe Wanderer. Ruhe, Frieden.
Und so geht es auf Anhöhen und Wälder hinüber Richtung Rechenau, immer am Fuße des Brünnstein und in Sichtweite des Wilden Kaiser auf der anderen Seite des Tales.
Mein Laufrhythmus kommt ganz schön durcheinander. Dauernd bleib ich stehen, genieße des Aus- und den Anblick, das "hier und jetzt". Kaum bin ich ein paar Meter weiter, geht das gleiche Spiel von vorne los. Aber ich hadere nicht damit. Ich hab keine bestimmte Zeit zu laufen, kein Druck und keine Konkurrenz. Ich bin nur zum genießen hier, und das mache ich. Ich hab keinen Hunger. Wasser läuft auf meinem Rücken im Trinkrucksack mit, ab und an nehme ich aus meinem Energiefläschchen einen Schluck mit konzentrierten Kohlenhydraten in Form von EnergieGel (aufgemischt mit Wasser), das wars. Laufen, genießen, ab und an Musik hören, fertig.
Der Weg führt dann hinunter ins Gießenbachtal, an der Klamm vorüber und dann in einem langen Aufstieg hinauf zu ein paar Almen (Name vergessen, schönste Gegend) und schließlich zum höchsten Punkt der Tour, der Wirtsalm.
Hier schaut man zurück zum Brünnstein (von hier aus Richtung Osten)...
und im Westen liegt das Sonnenwendjoch, die Rotwand und hinter der Wirtsalm gehts hinunter in das Ursprungstal, welches anschließend nach Bayrischzell zurückführt.
Aber erst einmal genieße ich den Augenblick, die angenehmen Temperaturen in der Sonne, den Ausblick, die Ruhe um mich und in mir.
Bis zur Gießenbachklamm war alles Genußtour, und der Teil oberhalb der Klamm bis zur Wirtsalm ist eigentlich mein Favorit auf der Tour. Andererseits ist der Anstieg bis zur Wirtsalm eine erhebliche sportliche Herausforderung. Auf dem Fahrrad ist sie nonstop und ohne Unterbrechung nicht wirklich zu fahren, denn die steilsten Stücke kommen erst im obersten Teil des Aufstieges. Hier ist der Weg durch den Wald so steil, dass sie die Fahrrinnen an den steilsten Stellen mit Asphalt aufgefüllt haben.
Auf einer Strecke von 6km geht es von 700hm auf 1300hm hinauf. Ich brauche dazu etwa 45min. Kein Rennen, kein Superwert - war auch nicht beabsichtigt. Trotzdem, nach all dem Genuß ein kleiner sportlicher Akzent. Nicht anhalten, nicht gehen, keine Pause, sondern durchziehen. Langsam, aber beständig. Hat Spass gemacht !
Nach einer kleinen Pause geht es hinab ins Ursprungstal, vorbei an Zeugen der Kälte der letzten Tage und Nächte.
Zurück geht es dann durch das Ursprungstal nach Bayrischzell. Immer im Tal, in der Nähe der Strasse. Aber es ist ruhig heute, wenig Verkehr, alles gut.
Alles in allem ein herrlicher Lauf. 35km, etwa 1.400hm, 5h. Solo.
Keine Rekorde, keine Hektik, keine Anspannung. Nix zu beweisen und einfach so. Einer der schönsten Läufe in diesem Jahr. Ich bin etwas müde, nicht aber erschöpft oder "k.o." Ich war schon in besserer Lauf-Verfassung als heute, aber auch in schlechterer.
Und ganz sicher hab ich die Runde nicht zum letzten mal gemacht. Wenn ich mal kurz vor dem JUNUT 2017 im April einen prima Abschlusspunkt für die Vorbereitung setzen möchte, dann werde ich vom Ursprungstal wieder hinauf zum Rotwandhaus laufen, dort ein alkoholfreies Weizen trinken und anschließend über das Taubensteinhaus hinunter nach Bayrischzell. Das werden noch ein paar Höhenmeter und Kilometer mehr sein. Da hab ich jetzt schon Lust drauf. Und ich brauche ja Ziele fürs neue Jahr...
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