Donnerstag, 19. Mai 2016

Rennsteig 2016

So. Morgen ist es so weit. Ich packe meine Sachen und fahre nach Eisenach. Am Samstag dann beginnt der 44.Rennsteiglauf, mein 7. in Folge.

Ich habe mich gut vorbereitet; im Mai bin ich bisher in den 19 Tagen immerhin knappe 200km gelaufen (+ die Kilomter auf dem Rad, aber die zählen hier ja nicht). Ein ganz guter Schnitt, für mich. Seit dem JUNUT habe ich das Mentaltraining und das Training für die Rumpfmuskulatur sowie die ausgewogenere Ernährung vernachlässigt. Dennoch bin ich guter Dinge. Heute kam noch eine Lieferung von bike24.de und die Sachen (Laufhose, Laufgürtel mit Wasserflasche und anderen Fächern) passt wunderbar. Hab am Abend noch in aller Ruhe eine "Abschlussrunde" auf meinen Hausberg absolviert (14km), im Schnitt mit 6:45min pro Kilomter. Passt.

Ich teile den Rennsteig wieder gedanklich in 3 Teile zu 24km. Das hat den Vorteil, die für mich mental schwierige Mitte zu überbrücken. Für jeden Teil habe ich ein Lied auf meinem Smartphone, also exakt drei Lieder für 72km. Zwar laufe ich äusserst gern mit Musik, aber ich will mich so zwingen, ohne Musik mehr in der Gegenwart zu bleiben und mich auf die Strecke und den Lauf zu konzentrieren. Ab und an mal ein Lied ist gut, aber nicht dauerhaft.
Nach einigem Überlegen steht fest:

  1.  0-24km: "go your own way" von FLEEDWOOD MAC
  2. 24-48km: "Zombies" von den CRANBERRIES
  3. 48-72km: "frei" von DANIEL WIRTZ
"go your own way" trifft meine Lebensphilosophie, hat einen angenehmen Rhythmus und macht gute Laune. So komme ich gut in den Lauf und den Berg hinauf. Die meisten Höhenmeter der insgesamt 1.800hm liegen auf den ersten 21km der Strecke.

"Zombies" handelt von den Schrecken des irischen Bürgerkrieges und macht deutlich, dass sich alles im Kopf abspielt. "It's in your head, in your head, in your head: zombies !". In Verbindung mit der aussergewöhnlichen Art zu singen und dem satten Sound wird mir das hoffentlich über den schwierigen (mentalen) mittleren Teil des Laufes helfen.

"frei" schließlich ist für die Mühen des letzten Drittels. Wenn die Beine schon schwer sind, die meisten Kilomter "im Sack" und es dennoch noch nicht zu Ende ist. Spätestens wenn ich dann in Schmiedefeld einlaufe, dann werde ich mir "frei" auf die Ohren geben:

Du solltest träumen für all jene, denen die Angst den Schlaf geraubt,
deren Hoffnung man zertreten, irgendwo im Straßenstaub.
Du solltest springen für all jene, denen der Fuß in Ketten liegt,
deren Willen man gebrochen, deren Freiheit man bekriegt.
Du solltest leuchten für die Lichter, die man in Dunkelheit gesperrt,
für die Kinder die nicht wissen, ob die Väter wiederkehren.
Du solltest wissen um dein Glück, dass dir ein Zufall zugespielt,
zu jeder Stunde, jeden Tag an dem du die Sonne siehst.


Der Rennsteig fühlt sich heuer so an, als könnte ich ihn in einer neuen persönlichen Bestzeit laufen. Das wäre dann schneller als 7h56min. Aber das besagt leider gar nichts, denn so fühlt es sich jedes Jahr an. Nur hab ich diesmal die Vorbereitung für den Junut hinter mir, seine Lehren und Schlussfolgerungen für mich und inzwischen hervorragendes Material. Ich kenne die Strecke, hab viele Bilder davon im Kopf, kenne die Rahmenbedingungen, das Umfeld und meine Krisensituationen.
Wie sagte doch der nette Schwede beim Vorabend des JUNUT: "Trail-running ist das meistern von Schwierigkeiten. Man läuft von der Lösung einer Schwierigkeit zur Nächsten". Wenn die Euphorie des Anfangs verflogen ist und die Beine schwer sind, dann ist da viel Wahres drann. Tatsächlich rücken die mentalen "Höhen und Tiefen" mit der Dauer des Laufes an Intensität und in den Intervallen immer näher zusammen. Was Dich in einem Moment noch völlig aus der Fassung bringt (z.B. fast leere Wasserflasche vor dem nächsten VP, die momentane Steigung, Regenschauer, irgend etwas scheuert irgendwo am Körper oder klappert an der Ausrüstung) ist im nächsten Moment verflogen und macht der Begeisterung über den Moment, die Strecke und dem Privileg platz, hier und jetzt überhaupt mitmachen zu können und zu dürfen. All das liegt dann sehr dicht beeinander und ich kann die Abfolge und den Zustand nicht beeinflussen. Nur akzeptieren und weitermachen. Darin liegt (auch) ein wesentlicher Reiz des Ganzen.

Also möchte ich am Samstag nicht meinen PR (personal record) in den Mittelpunkt stellen, sondern wieder die Spannung und die Freude am Lauf. Das "Hier und Jetzt" und die Schönheit der Strecke und des Rennsteiges.
Was mir immer als grandios in Erinnerung bleibt, ist der Umstand, das nahezu die ganze Strecke durch den Wald führt.
Das will ich in mir aufnehmen und wirken lassen.
Den PR vergesse ich ganz bestimmt nicht (mein Smartphone läuft mit Streckenmessung und gibt mir im Intervall von 15min die Durchschnittsgeschwindigkeit  und meinen Puls durch, was sehr wertvoll für mich ist), aber ich will es zur Begleitmusik degradieren. Was schwer wird, denn im persönlichen zeitlichen Rahmen zu liegen macht einen enormen Anteil der Motivation aus, wenn es anstregend wird. Und das kann man nicht so einfach wegdrücken.

Wie auch immer. Mein Motto für den Rennsteig 2016 lautet für mich:
"mittendrinn".

In diesem Sinne, "auf gehts !"


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