In 14 Tagen ist es endlich so weit: da bin ich auf dem Jurasteig unterwegs. Oft kreisen meine Gedanken nun um diese Strecke und ich frage mich natürlich: "werde ich es schaffen, 240km am Stück zu bewältigen ?" - "werden in den Tagen zuvor die Pollen explodieren und mir am JUNUT den Garaus machen ?" - "wie wird es sein, die Nacht durchzulaufen ?" - "werde ich versuchen, mich anderen anzuschließen oder mach ich mein Ding allein?" - kann ja alles sein.
Ganz ehrlich: im Moment habe ich nicht den Eindruck, besonders fit zu sein und die 240km zu schaffen. Die Erkältung von letzter Woche habe ich gut überstanden und ich habe im letzten halben Jahr trainiert so gut ich konnte und wollte. Aber ob das reicht ? - ob das GENUG ist ? (wahrscheinlich ist es nie genug, egal wie viel man gemacht hat).
Im Moment denke ich: "das ist nicht das Entscheidende". Entscheidend ist auch nicht: "dabei sein ist alles". Die Floskel wird gern verwendet, sie stimmt aber nicht. Wer sich intensiv vorbereitet und trainiert hat, der will mehr als nur dabei sein, rumstehen und in der Nase bohren. Alles Training und alle Vorbereitungen haben nur zum Ziel, auch zum Ziel zu kommen. Und das ist das, was ich will: unbedingt zum Ziel kommen. Finishen. Ich will ums verrecken kein "DNF" haben: "did not finish". Und dennoch kann genau das so kommen. Von 120 Startern finishen etwa 2/3 der LäuferInnen. Das bedeutet, 33% bleiben auf der Strecke liegen. Wer dort zum ersten mal startet - so wie ich - ist wohl ein guter Aspirant für die 33%.
Bekomme ich ein "DNF", dann starte ich halt nächstes Jahr noch mal.
Darin liegt im Moment die Möglichkeit für mich, den "Knoten" aufzulösen: eine Distanz von 240km am Stück zu laufen ist eine für mich "kaum vorstellbare Distanz". Ich weiß, dass es geht. Aber mein persönliches Solo-Maximum liegt bei 101km. Und da war Schluß nach 101km. Das ist jetzt nicht einmal die Hälfte !
Der wichtigste Punkt für mich wird also nicht sein: "kann ich das Ding am Stück durchlaufen ?" - denn das kann ich nicht. Auch jetzt nicht. Wenn das aber nicht geht, dann ist die einzige Frage: "wie gehe ich mit Krisen um ?" - denn das ist genau das, was passieren wird: ich werde versuchen, so weit und so lange zu laufen, wie ich kann. Dann wird Schluss sein und ich werde das Ziel noch nicht erreicht haben. Und die Frage wird sein, wie ich damit umgehen werde. Es ist Schluss, aber "ich habe noch nicht fertig".
Dieser Aspekt ist der Wesentliche. Gelingt es, sich selbst am "point of no return" wieder zusammenzubauen und einen Ausweg zu finden, oder gebe ich mich damit zufrieden, am Ende zu sein und aufzugeben. Das ist ein Punkt, der findet nicht im Körper statt, der passiert im Kopf. Und er stellt die wichtige Frage an mich: "was bin ich für ein Typ ?". Genau diese Situation ist die, die bei mir bisher auch schon stattgefunden hat, zum Beispiel beim Rennsteig. Oder auch bei "nur" Marathonläufen von 42km. Dieser Punkt "of no return" kann eigentlich immer und überall passieren; er ist nicht von der Distanz abhängig. Ich kann theoretisch auch bei einer Trainingsrunde von 15/20km um die Hausberge eine Krise haben und an diesen Punkt gelangen. Die Frage ist also nicht, ob und wann er kommt. Die Frage ist, wie ich damit umgehe. Und die kann ich mir nur selbst beantworten. Es gibt dabei kein "richtig" oder "falsch". Es kann zum Beispiel FALSCH sein, am "weitermachen" festzuhalten. Es kann richtig für mich sein, an dem Punkt der Krise aufzuhören, mich hinzusetzen und mich vom JUNUT-Team abholen und einsammeln zu lassen. Wenn ich das als "richtig" empfinde, dann werde ich das auch tun.
Ich finde diesen Aspekt sehr spannend, weil er extrem individuell ist und es keine Ratschläge oder Richtlinien von aussen geben kann. Weder von meiner Familie, noch von meinen Freunden, noch von Mitläufern und Weggefährten. Den Punkt muß jeder für sich selbst definieren.
Das Spannende daran ist, die bewußte Auseinandersetzung damit zu suchen. Denn meist ist mein Leben davon bestimmt, Krisen zu vermeiden und diesen Punkt der Definition zu umgehen. Wahrscheinlich etwas sehr Menschliches (und bequemes). Verallgemeinert: "wir vermeiden gerne Krisen." - und ein JUNUT ist deswegen vielmehr als ein Lauf, weil es durch die Distanz ganz unvermeidbar auf diesen Punkt zusteuert und ich nicht sagen kann, was ich dann dort von mir finden werde und wie ich ihn bewältigen kann. Wie auch immer es sein wird, es wird mein Weg sein. In diesem Sinne ist es wie eine Bergbesteigung oder ein kleiner Everest: es hat etwas von der Besteigung der eigenen Grenzen, es hat etwas von Ausgesetztheit mit sich selbst. Klingt komisch, aber darauf freue ich mich.
Meine Vorbereitungen laufen daher auch gerade nicht mehr nur auf der körperlichen Ebene: ich versuche mich in Meditation, ich versuche mich in Eigenmotivation und in Krisenmanagement. Und diese Form des Trainings wird bestimmt immer unterbewertet und vernachlässigt. Wer an Laufen denkt, der denkt an "rennen" und "Körper" und "Verausgabung". Aber man muss auch an "Innen" denken, an "Krisenmanagement" und "Lösungen". An "Finden".
Erst einmal hab ich gestern meine letzten Bestellungen abegegeben (und auch das ist eine Form der Krisenbewältigung: "kaufen um die Krise zu bewältigen"): einen dünnen Fleece-Pulli, den ich im Laufrucksack dabei haben werde, um mich warm zu halten, wenn ich unterwegs stehe, sitze oder warten muss. Oder in den Pausen bei den Verpflegungsstellen. Da komme ich verschwitzt an und brauche dann eine warme Hülle, griffbereit. 85€.
Und ich habe mir einen Herzfrequenzgurt bestellt, der sowohl die Signale an mein Handy sende kann (bluetooth) als auch an mein GARMIN Handnavigationsgerät. 40€. Und zum Schluss noch ein weiteres Akkupack für unterwegs, damit ich sowohl mein Handy als auch meine Stirnlampe als auch meine Kopfhörer auch wirklich aufladen kann. 30€. Damit mir wenigstens nicht der Saft ausgeht.
Ich glaube, ich hab jetzt dann alles.
Ausserdem habe ich mir schon einen Plan gemacht, was ich am Abend vor dem Start essen werde, und was ich nach der Übernachtung im Auto zum Frühstück esse: welches Müsli, Spiegelei braten (mit dem Outdoor-Kocher) und mit Käse-Laugenbrötchen. Kaffee sowieso.
Mein Sommerurlaub steht auch: ich habe beim Ötztaler Radmarathon im Losverfahren einen Startplatz erhalten ! - einen Gasthof hab ich schon gebucht und die Route für die Anfahrt und Rückfahrt mit dem Rad von Hersbruck nach Sölden steht auch schon.
Perfekt.
Eines meiner derzeitigen Lieblingslieder ist eines aus den 80ern von einer Gruppe "Fleetwood Mac". Das Lied heißt: "go your own way". Das ist genau das was es ist. Hab ich auf meinem handy. Werd ich hören, wenn ich in 14 Tagen unterwegs bin. Nachts im Dunkeln. Oder wenn ich auf das JUNUT-Team warte, die mich zum start zurückfahren werden. Auch dann gilt das: "go your own way !". Und wie schön passt es zu 240km Laufstrecke, auf die ich mich auch schon freue, weil ich sie noch nicht kenne.
Werd ich machen !
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