Donnerstag, 20. August 2009

Alpen-Brevet 2009

"Nicht geschafft", so das kurze und unumrückbare Fazit für den Alpen-Brevet 2009.
Die "Platin-Runde" hätte es sein sollen, bei der es 275km und 7.000hm auf 5 Pässen in der Zentralschweiz zu bewältigen gilt. Also den "Ötzi" UND noch weitere 25km und 1.500 Höhenmeter oben drauf. Gerade diese "unfassbare" Dimension macht den Reiz des Brevet aus, jedenfalls aus der Ferne.
Start und Ziel des Brevet ist der Ort MEIRINGEN, auf knapp 600 Meter über dem Meer gelegen. Die Platin-Runde geht dann über den GRIMSEL-Pass auf 2.165 MüdM, hinunter nach Ulrichen auf 1345 MüdM und den NUFENEN-Pass hinauf auf 2.476 MüdM, dem höchsten Punkt des Rennens, das eigentlich kein Rennen ist. Es folgt die Abfahrt nach AIROLO auf 1164 MüdM. Dieser Ort muß für die Platin-Fahrer um 11:15 Uhr passiert worden sein, sonst wird man - wie ich - auf die Goldstrecke umgeleitet. Der 5.Pass - der LUKMANIER-PASS - bleibt einem dann erspart oder vorbehalten, man fährt nach Andermatt über den GOTTARD-PASS und zurück über den SUSTEN-PASS nach Meiringen.



Den ersten Pass, den Grimsel-Pass, fuhr ich ohne Schwierigkeiten hinauf. Das Feld der Fahrer sortierte sich auf dem Weg zum Pass, die Steigungen waren allesamt moderat und im Bereich zwischen 9 und 12% Steigung. Markus hatte mich gleich nach der ersten minimalen Abfahrt abgehängt und ich schloß bei der Auffahrt auch nicht wieder zu ihm auf. Also lief es auch bei ihm gut und rund.



Der Grimsel-Pass zog sich über viele Serpentinen im oberen Bereich hinauf, das Wetter wurde zunehmend schlechter, und als ich den Pass schließlich erreichte (um 8:50 Uhr) hatte der Himmel zugezogen, es waren kaum mehr 20m zu sehen und es nieselte unangenehm. Schnell hatte ich mich versorgt und verließ um 8:59 Uhr den Pass und die erste Verpflegung. Statt schwungvoller Abfahrt folgte nun ein "Gestocher" im Regen und Nebel meinerseits. Kein einzigen Mitfahrer habe ich überholt auf der Abfahrt, mich überholten dafür Duzende. Kurz vor der ersten Verpflegung, noch bei der Auffahrt war ich in den Wiegetritt gegangen und fühlte, wie das Hinterrad dabei leicht auf dem Asphalt weggerutscht war. Nichts Schlimmes, bei 10-12km und in der Auffahrt kein Thema, aber ich brachte das aus meinem Kopf nicht mehr heraus. Das Schlingern auf nassem Asphalt. Jetzt, bei der Abfahrt, kam ich über 40 bis 45km nicht hinaus. Ich schlich also förmlich den Pass hinunter, bis ich unterhalb der Wolkendecke angekommen war. Als ich wieder etwas sehen konnte und der Strassenbelag einigermaßen trocken wurde, ließ ich es auch laufen, aber mehr als 65km/h wurden es auch nicht.



Die Auffahrt zum zweiten Pass, dem Nufenen, begann im Trockenen und endete noch schlechter wie der erste Pass im Nieselregen und Nebel.


Auch hier war von Sicht keine Rede, aber ich war gut drauf im Anstieg und hatte viele der Fahrer wieder eingeholt, die mich in der Abfahrt hinter sich gelassen hatten. Um 10:45 Uhr war ich oben am Nufenen-Pass angekommen und auch hier blieb ich höchstens 3-4 Minuten. Das lag auch an der Auskühlung und dem schlechten Wetter. Also schnell wieder runter... aber auch hier ist "schnell" der falsche Begriff. Wieder schlich ich bergab, maximal 30-35km/h, mehr nicht. Andere Fahrer schossen an mir vorbei aus dem Nichts in das Nichts des Nebels, als "gäbs kein Morgen mehr". Trotz der Windstopper kühlte ich im Nieselregen stark aus, die Zähne klapperten, die Hände krampften vom bremsen, und so zuckelte ich bergab.
In einer 180° Kurve standen die Überreste eines Rennrades an der Leitplanke, der Fahrer lief aber ohne Verletzung nebendrann herum, wie Markus mir später berichtete. Ich sah nur das völlig zerstörte Hinterrad des Renners, udn dieses Bild tat sein übriges. Mit dem Rutschgefühl in den Muskeln und der Nebel-Regenwand vor Augen ging ich vorsichtig zu Werke.
Ausserdem wähnte ich mich in einem guten zeitlichen Polster. Ich hatte 30 Minuten vom Pass bis Airolo, das sollte zu schaffen sein. War es aber nicht. Kurz nach 11 Uhr passierte ich ein Schild mit "Airolo, 15km" und mir wurde klar, das es das gewesen sein mußte. Die Strasse war noch immer nass, auch unterhalb der Wolkendecke, und ich blieb vorsichtig. Im Ort kam ich um 11:23 Uhr an, also 8 Minuten zu spät. Die Platin-Runde war nun für mich geschlossen, also ruhte ich kurz an der Verpflegung aus und nahm dann die Gold-"Looser"-Runde in Angriff.



Bis hier her hatte ich nun etwa 2.800hm und etwa 80km hinter mir. Ich hatte dafür 4:40h benötigt. Da die Platinrunde nun für mich gestorben war, mußte ich über den GOTTARD-Pass und den SUSTEN-Pass zurück nach Meiringen. Neben einer gewissen Enttäuschung machte sich auch Erleichterung breit in mir. An der Runde war nichts mehr zu rütteln, also gab es auch nichts mehr zu kämpfen. Zurückfahren eben, ohne Wettkampf und ohne Zeitdruck. Einfach nur der Sache wegen. Also zog ich meine Bahn den Gotthard hinauf.



Leider war das Kopfsteinpflaster keine Ausnahme, sondern die Regel auf dieser Passauffahrt. Wo man die Fahrrille auch suchte, es blieb mit 7bar harten Rennradreifen auf dem Pflaster ein unangenehmes fahren. Davon abgesehen kurbelte ich mich in Laune, es regnete nicht und ich machte mich wieder daran, ettliche Fahrer zu überholen und abzuhängen. Zweifelsfrei hatte ich heute meine Freude an den Auffahrten, nicht an den Abfahrten.
Erst im oberen Bereich, wiederum zerteilt in wunderschöne Serpentinen, überholte mich eine Gruppe schnellerer Fahrer. Sie bleiben die einzigen, die mich überholten... bis ca. 300m unterhalb der Passhöhe ein Knacken am Hinterrad zu hören war. Schnell wurde daraus ein "tschalink-tschalink" und ein Fahrer neben mir meinte "oh weh, Speiche ab !", womit er fast acuh recht hatte. Wieder war an meinen Laufrädern ein Alunippel abgerissen (die Verbindung zwischen Speiche und Felge, 2mm-Bohrung aus Alu) und in der Folge entstand ein "Achter", der in der Hinterradbremse blockierte. Also mußte ich "raus" aus der Auffahrt und "rechts rann". Eine dicke Regenfront schob sich hinter mir den Pass hinauf, als ich aus meiner verschwitzten Trikot-Tasche die Werkzeuge rausnästelte. Zum Glück kenne ich die Schwachstellen meines Rades und hatte vorsorglich alles Notwendige in Minimalstausführung in der Trikottasche dabei: Speichenschlüssel, Ersatznippel, Reifenheber, Mini-Imbus und Mini-Luftpumpe. Also stellte ich das Rad auf den Kopf, montierte das Hinterrad heraus, ließ die Luft heraus, quälte mich erwartungsgemäß mit dem straffen Felgenband herum und fingerte schließlich mit Hilfe einer mitgenommenen Büroklammer (!) den Nippel durch die hohen Flanken der felge in die richtige Bohrung zur Speiche wieder ein. Dann zentrierte ich das Hinterrad notdürftig, baute alles wieder zusammen und war nach etwa 15-20 Minuten wieder den restlichen Weg hinauf zum Gotthardpass.



Die Abfahrt nach Andermatt war trocken und daher mal schneller wie die anderen Regenabfahrten. Wiederum erreichte ich etwa 65km/h. Der Autoverkehr nahm spürbar zu, aber das war kein wesentliches Problem.

Es folgte als letzter Pass der SUSTEN-Pass, der sich als wirklich zäh und endlos erweisen mußte.
Unten begann die Auffahrt traumhaft mit Schluchten und Brücken, Tunnels und Eisenbahnbrücken in einem engen Tal. Dann zog sich die Strasse höher und höher und ähnlich wie beim Timmelsjoch erwartet einen nach stundenlanger Auffahrt ein "Brett" aus Serpentinen, das nicht zu enden scheinen mag.
Tat es aber doch irgendwann. Am Ende des Tunnels auf der Passhöhe gab es eine letzte Verpflegung.

Ich machte mich hinunter auf den Weg zurück nach Meiringen, doch die Abfahrt war wiederum eine Qual. Alles war naß, es regnete und nieselte, die Sich war oben gleich null und es dauerte ewig, bis ich unter war. Zweimal hielt ich bei der Abfahrt an (bei der Abfahrt !, nicht bei der Auffahrt !), weil mir schrecklich kalt war,d ie Zähne klapperten, die Finger krampften und ein dosiertes Bremsen einfach nicht mehr möglich. Überhaupt hatte ich das Gefühl, das Hinterrad und die Bremsen auf nasser Fahrbahn waren eine Symbiose geworden aus Matsch und Pudding. Lediglich an den Schleifgeräuschen des Sandes zwischen Gummi und Felge war zu erkennen, dass sich da hinten noch was tat.
Unzufrieden mit der ganzen Situation kroch ich den Berg hinunter und wünschte mir, das Gefälle endlich hinter mir zu haben. Der letzte Gegenanstieg war harmlos und willkommen ("ach, endlich wieder hoch. Hoch = Wärme") und ich fuhr nach etwas mehr als 10:00h im Ziel in Meiringen ein.



Wäre die Nippelaktion nicht gewesen, dann wäre ich locker unter 10 Stunden gefahren. Wäre der Regen nicht gewesen, wäre ich die Platinrunde gefahren. WÄRE HÄTTE KÖNNTE.
War aber nicht.

Markus kam um 20:40 Uhr von der Platinrunde zurück. Er hats geschafft. Glückwunsch !
Airola hatte Markus um 11:08 passiert. Die entscheidenden Minuten.

Als wir heute morgen unser nasses Zelt zusammenpackten, da riss der Himmel auf. Tolle Berge hat es da in der Schweiz. Heute morgen hab ich sie gesehen.

"Gold-Runde": 175km, 5.300hm, 4 Pässe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen